Praxis Märchen statt Realismus - Interview zur Entstehung von O Beautiful Night (Regie / Kamera)

Märchen statt Realismus - Interview zur Entstehung von O Beautiful Night (Regie / Kamera)

In Kürze kommt mit "O Beautiful Night" ein Debütfilm mit Seltenheitswert in die Kinos: eine deutsche Produktion, die beispielsweise Witz hat, ohne albern zu sein. Wir haben uns mit dem Regisseur Xaver Böhm und der Kamerafrau Jieun Yi über sehr neonlastige Bilder unterhalten, darüber wie man eine märchenhafte Stimmung erzeugt, wie sich die Produktion eines echt gedrehten Films von animierten Filmprojekten unterscheidet u.v.m.

// 10:38 Di, 18. Jun 2019von

In Kürze kommt ein Debütfilm in die Kinos, der uns bereits auf der Berlinale überzeugte. "O Beautiful Night" ist ein modernes Märchen mit Seltenheitswert: eine deutsche Produktion, die Witz hat, ohne albern zu sein, die ihren Darstellern zu recht vertraut, ihnen durchdachte, aber nicht pretentiöse Dialoge gibt, während die Bilder einen sehr deutlichen Gestaltungswillen erkennen lassen, sich dabei aber nicht verselbständigen und vor die Story drängeln.



Wir haben uns daher mit dem Regisseur Xaver Böhm und der Kamerafrau Jieun Yi getroffen, um mehr über die Entstehung zu erfahren. Bei dem sehr unterhaltsamen Gespräch ging es unter anderem darum, wie man realistische Bilder vermeidet, um eine märchenhafte Stimmung zu erzeugen, wie sich die Produktion eines echt gedrehten Films von animierten Filmprojekten unterscheidet, wie man beim Schnitt den „richtigen“ Take unter vielen auswählt und vieles mehr.. Doch vorab ein paar Worte zum Film – und der Trailer:






Die Handlung ist schnell erzählt: Der junge Musiker und Hypochonder Juri (Noah Saavedra) wähnt sich einem Herztod nahe, einschlägige Symptome sowie Krähenbesuch im Zimmer sind hierfür ja untrügliche Zeichen. Auf seiner Flucht durch die Nacht landet er bald in einem Automatencasino, wo tatsächlich der Tod höchstpersönlich auf ihn wartet (Marko Mandić). Er ißt kalte Würstchen aus der Dose und spricht mit osteuropäischem Akzent. Da aber noch etwas Zeit ist, vor dem Sterben etwas zu erleben, macht sich das ungleiche Paar auf den Weg, eben dies zu tun. Ohne Risiko, Geld und Drogen läuft natürlich nichts, doch der Tod kennt sich zum Glück bestens aus; Juri taut unfreiwillig auf und lernt -- wie sollte es anders sein -- seine Traumfrau Nina kennen (Vanessa Loibl).



In einer Art Umkehrschluß geht es symphatischerweise bei diesem Film eher um die Frage, was es eigentlich heißt, zu leben; ein mindestens ebenso ernstes Thema wie der Tod ("Stell dir vor, du stirbst heute nacht -- dann war das letzte, was du gesagt hast, "nee"). Eine Antwort bleibt der Film schuldig, die muß wohl jeder für sich selbst finden. Statt dessen wird ein streckenweise überdrehtes Spiel veranstaltet mit Klischees, Filmmotiven und Rollenmustern, in dem der Tod ein Macho ist und das Love Interest eine Nietzsche-lesende Stripperin. Wer nüchternen Realismus sucht, ist hier im falschen Film.



Um das magisch-märchenhafte an diesem Film zu betonen, wurde auf ein sehr extremes Licht- und Farbkonzept gesetzt. Die Berliner Nacht ist dunkel und bunt, die Bilder oft von explizitem Mischlicht geprägt, nicht selten wird bei einer Nahen ein rötliches Hauptlicht von einem türkisen Fill aufgehellt. Die Gestaltung zieht sich konsequent durch alle Facetten der Bilder; das Szenen- und Kostümbild sind ebenso durchdacht wie die Auswahl der obskuren Drehorte. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen und sind überhaupt nicht zu verorten. Als Kamera kam eine ARRI Amira mit Vantage One T1 Objektiven zum Einsatz,.


O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film
O Beautiful Night (c) Jieun Yi / Komplizen Film

Gedreht wurde der Film von einer überwiegend und auffallend jungen Crew. Buch und Regie stammen von Xaver Böhm -- "O Beautiful Night" ist wie gesagt sein erster Spielfilm, bisher schuf er hauptsächlich kürzere Animationsfilme. Seine Co-Autorin beim Drehbuch, Ariana Berndl, hat erst kürzlich ihr Studium an der DFFB absolviert. Für die Bildgestaltung verantwortlich war Jieun Yi, die bis 2015 an der HFF Kamera studierte. Auch die Hauptdarsteller stehen am Anfang ihrer Karriere. Mit Komplizen Film, 1999 von Janine Jackowski und Maren Ade während ihres Studiums an der HFF München gegründet, fand sich dafür eine nicht mehr ganz so neue, aber doch experimentierfreudige Produktionsfirma, um das Projekt (ursprünglich als No-Budget angelegt) mit Erfahrung, professionellen Abläufen und einer Finanzierung zu unterstützen.







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